Elon Musk und sein Team haben eine bemerkenswerte Fertigungseffizienz demonstriert, die weit über das hinausgeht, was bisher in der Branche erreicht wurde. Aber es hört noch nicht auf – Musk strebt danach, den aktuellen Output in Zukunft zu verdoppeln. Wie will er das schaffen? Und was können andere Produktionsbetriebe von dieser bahnbrechenden Strategie lernen?
„Die Strategie von Tesla läutet womöglich eine neue Ära der Produktion ein und zeigt, was auch für andere Firmen möglich ist“, sagt Thomas Schulz, Experte für Lean Management und Prozessoptimierung. Er hat die Tesla-Methode in den vergangenen Monaten ausführlich studiert und mit Insidern gesprochen. Schulz ist überzeugt: „Da kommt noch Großes auf uns zu!“. Wie Teslas Ansatz andere Unternehmen inspirieren und die Produktionsmethoden weitreichend verändern kann, hat Thomas Schulz in seinem folgenden Gastbeitrag verraten.
Wie Tesla die gesamte Fertigung revolutionierte
An der Börse wird Tesla mit über einer Billion Dollar bewertet – damit übersteigt das Unternehmen den Wert aller anderen Autohersteller zusammen. Ein wesentlicher Grund dafür ist die Produktionskapazität. 2022 konnte Tesla 40 Prozent mehr Fahrzeuge herstellen als im Vorjahreszeitraum. Zwar gerät das Unternehmen auch immer mal wieder in die Kritik. „Derzeit heißt es, Sonderschichten an Wochenenden und Feiertagen würden gestrichen. Außerdem wolle Tesla temporär auf einen Teil der rund 1.000 Leiharbeiter verzichten. Ob er seine Ziele, den Output zu verdoppeln, überhaupt erreiche, scheint unklar“, erklärt Thomas Schulz. „Doch darum geht es nicht primär. Beeindruckend ist, dass Elon Musk es überhaupt geschafft hat, eine Fabrik auf die Beine zu stellen, die derart effizient produzieren kann – wenn es genügend Abnehmer für Elektroautos gibt!“, so Schulz.
Dabei hat der texanische Produzent von Elektroautos nicht allein mit immer neuen Fertigungsstätten und Gigafactories seine Fertigungskapazitäten stetig nach oben skaliert – hinter diesem Erfolg steht vor allem eine beeindruckende Innovationskraft in allen Bereichen des Unternehmens. So produziert Tesla heute mit dem Model Y nicht nur das meistverkaufte Elektroauto der Welt, sondern fertigt auch Batteriespeicher und Photovoltaikanlagen in einer nie dagewesenen Effizienz und Geschwindigkeit.
Lob von vielen Seiten
Tesla hat dabei von Anfang an auf innovative Produktionstechniken wie das Spritzgussverfahren gesetzt. Das löste auch bei der Konkurrenz Erstaunen aus. Erst kürzlich haben Toyota-Ingenieure das Tesla Model Y zerlegt – und konnten nur den Hut vor Tesla ziehen. Sie bezeichneten das Model Y als Kunstwerk, doch damit nicht genug. Zukünftig möchten sie sich von diesem inspirieren lassen – dabei war Toyota lange Zeit der absolute Marktführer im Bereich der Produktion und Sinnbild für Effizienz. Doch nicht nur Toyota möchte Tesla folgen. Auch andere Hersteller wollen künftig auf das Giga-Druckgussverfahren setzen.
Doch der Grad der Revolution reicht viel tiefer: Der Fahrzeughersteller hat unter Elon Musk konsequent eine Führungs- und Entscheidungskultur innerhalb des Unternehmens umgesetzt, mit deren Outcome die traditionell wirtschaftende Automobilindustrie auch auf absehbare Zeit nicht mithalten kann. Tesla hat sich dabei von traditionellen Paradigmen im Fahrzeugbau verabschiedet und stattdessen eine Strategie verfolgt, bei der die Geschwindigkeitserhöhung der Produktion und die Einbeziehung der Mitarbeiter in die permanente Verbesserung der Fertigung im Fokus stehen.
Konzentration auf Prozessfluss und Produktivität
Sein hoher Innovationsgrad hat es Tesla ermöglicht, in Bezug auf Produktivität, Durchlaufzeit und Mitarbeiterzeit je Fahrzeug (HPV) einen kaum einholbaren Vorsprung vor der Konkurrenz zu erzielen. Ein wichtiger Teil des Konzepts ist dabei das First Principle Thinking von Elon Musk: Diese Art des Denkens reduziert eine Problemstellung auf ihre grundlegenden Annahmen und Prinzipien und versetzt so die beteiligten Entscheidungsträger in die Lage, sich auf innovative Lösungen und Optimierungen aller Produktionsprozesse zu konzentrieren.
Hierbei verfolgt Tesla die Strategie, einzelne Fahrzeugteile und Baugruppen in einem stetigen Prozess zu reduzieren und zu vereinfachen. Durch eine schrittweise Reduzierung sowohl der automatisierten als auch der manuellen Arbeitsinhalte wird nicht nur die Qualität der Fertigung beständig erhöht, sondern gleichzeitig auch die Produktivität (Fahrzeuge je Mitarbeiterstunde) kontinuierlich verbessert. So hat Tesla zum Beispiel bei der Fertigung der Unterbodengruppe auf den innovativen Aludruckguss umgestellt, womit der hintere Rahmen des Model Y in einem einzigen Bauteil gefertigt werden kann. Im Ergebnis konnten dadurch 171 Teile und mehr als 1600 Schweißnähte im Vergleich zur herkömmlichen Produktion ersetzt werden – ein enormer Vorteil in Bezug auf Effizienz und Kostenreduzierung.
Tesla nutzt die Innovationskraft seiner Mitarbeiter
Der Pionier unter den E-Autoherstellern setzt zudem gezielt auf die Integration seiner Mitarbeiter in den gesamten Verbesserungsprozess. Eine starre Entscheidungsfindung durch ein konsequent hierarchisches Management gibt es bei Tesla nicht: Stattdessen hält das Unternehmen seine Belegschaft dazu an, Verschwendungen und störende Abläufe zu identifizieren und eigene Ideen jederzeit einzubringen. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist dabei die Organisation in sogenannte „Full-Stack-Teams“: Diese selbstorganisierenden Mitarbeitergruppen verfügen über alle notwendigen Fachkenntnisse, können bei Bedarf jedoch zusätzliche Experten hinzuziehen und erreichen so in jeder Situation eine dezentralisierte Entscheidungsfindung. Jedes Team kann daher bei Bedarf schnell und flexibel handeln, ohne erst die Freigaben oder Genehmigungen von Managern abwarten zu müssen – eine offene Führungskultur, die vielen deutschen Produktionsunternehmen noch immer fremd ist.
Fazit
Insgesamt kann Tesla deutschen Unternehmen als wertvolles Beispiel dienen, was mit innovativen Ansätzen in der Produktion möglich ist. Seine innovativen Ansätze in den Produktionsprozessen, die kontinuierlichen Verbesserungen der Fertigung und die Einbeziehung der Mitarbeiter in die Entwicklung und Entscheidungsfindung sind entscheidende Erfolgsfaktoren für den US-amerikanischen Autobauer. So konnte Tesla mit seinem dezentralisierten Management auf der Grundlage des First Principle Thinking und der kontinuierlichen Vereinfachung von Prozessen eine Effizienz und Kostenersparnis erreichen, die das Unternehmen zum weltweit führenden E-Autohersteller gemacht hat. Wer als Produktionsfirma diese Prinzipien in das eigene Geschäftsmodell übernimmt, kann daher langfristig wettbewerbsfähiger werden und sich einen vorderen Platz in der sich wandelnden Fertigungsbranche sichern.
PM/ Thomas Schulz